Initiative für eine menschenwürdige Gesellschaftsordnung

Ein emanzipatorisches Projektvorhaben zur proaktiven Zukunftsgestaltung im deutschsprachigen Kulturraum
Der erste Schritt in Richtung Verwirklichung einer menschenwürdigen Gesellschaftsordnung
besteht in der klaren Ausformulierung der gesetzlichen Grundlagen derselben.
Dem soll diese Initiative dienen.

Einleitung
Wenn wir wüssten, dass unsere Gesellschaft mit zunehmenden Tempo in eine Sackgasse rast, was würden wir tun? Würden wir einfach nur hoffen, dass es nicht zum Schlimmsten kommt und sich noch rechtzeitig jemand findet, der weiß, was zu tun ist? Etwa nach dem Motto: Da seht einen, der versteht, welche sozialen Einrichtungen nötig sind; wie er meint, so wollen wir es machen.*

*Rudolf Steiner, GA 23, Kernpunkt der sozialen Frage; Vorrede und Einleitung zum 41. bis 80. Tausend dieser Schrift

Wer so denkt, fährt bereits in die nächste Sackgasse! Wann immer sich einzelne Personen oder Gruppen anbieten all unsere Probleme zu lösen, sind wir gut beraten, uns an all die Personen und Gruppen zu erinnern, welche das früher schon behauptet haben. Der erste Schritt aus der Sackgasse wäre also: selbständig denken und eigenverantwortlich handeln!

Jeder kann es erkennen!
Die gegenwärtige Gesellschaft (Politik, Wirtschaft, Kultur) hat sich offensichtlich in eine gefährliche Konfliktsituation hinein entwickelt. Noch ist nicht absehbar, welche Richtung diese Krise nehmen wird.

Allerdings bergen Krisenzeiten auch Chancen in sich, die erkannt und genutzt werden wollen. Denn es sind stets Zeiten gesellschaftlicher Krisen, die Richtungskorrekturen ermöglichen und in denen Gesellschaftsordnungen neu ausgestaltet werden müssen. Es stellt sich daher die Frage, was getan werden kann, um diese umfassende Gesellschaftskrise zum Guten zu wenden?

Rudolf Steiner hat mit der Dreigliederung des Sozialen Organismus eine Vision für eine menschenwürdige  Gesellschaftsordnung formuliert. Diese Vision ist kein fertiges Programm, eher eine Idee, ein Gestaltungsansatz, der die Wirkprinzipien des Sozialen Organismus beschreibt. Und wir selbst sind dabei die Gestaltenden – jeder Einzelne! Einen, der vorausgeht und alles weiß, den gibt es schlicht und einfach nicht.

Das Wesen einer Vision
Eine Vision beschreibt den idealen Zustand aller Lebensbereiche und zeigt: So wollen wir leben! Sie hilft uns, gemeinsame Ziele zu setzen und gibt uns die Sicherheit, dass unsere Handlungen sinnvoll sind und von allen mitgetragen werden. Wichtig: Die Ziele und Wege müssen wir selbst festlegen, die Vision beschreibt nur einen wünschenswerten Zustand.

Und genauso verhält es sich mit der Dreigliederung. Wer sich mit der Dreigliederung befasst, kann unschwer erkennen, dass es sich hierbei um eine wünschenswerte Lebenswirklichkeit handelt, welche im Grunde längst in uns angelegt ist.

Die soziale Dreigliederung
Die drei Glieder bzw. Lebensbereiche der Dreigliederung sind

  • Das Geistesleben (individuelle Entwicklung) mit der Forderung nach Freiheit
  • Das Rechtsleben (Staat, Politik, Gesetzgebung) mit der Sicherstellung der Gleichheit
  • Das Wirtschaftsleben (Bedarfsorientierung) mit der Verwirklichung der Brüderlichkeit

Diese drei Lebensbereiche gibt es längst, nur dass sie sich bisher nicht autonom entwickeln konnten! Anstatt sich gegenseitig zu schützen und zu unterstützen, gibt es massive Übergriffe von Staat und Wirtschaft in die Freiheit unserer individuellen Entwicklung
(Geistesleben).

Die neuere Menschheit hat ein Geistesleben entwickelt, das von staatlichen Einrichtungen und von wirtschaftlichen Kräften in einem hohen Grade abhängig ist.*

*ebd.

Auslöser für diese Initiative
Ausgehend von der Annahme, es käme, aus welchen Gründen auch immer, eine verfassunggebende Versammlung zustande, wie würde ein Verfassungsentwurf, der auf den Erkenntnissen der Dreigliederung beruht, wohl aussehen? Wie würden die einfachen Gesetze, die daraus abzuleiten sind, wohl aussehen? Etliche weitere Szenarien sind denkbar, bei denen sich dieselben Fragen stellen. 

Das Rechtsleben als das Herz des Sozialen Organismus will und muss entsprechend dieser Erkenntnisse proaktiv neu gestaltet werden. Denn, solange bezüglich der konkreten Ausgestaltung desselben keine Klarheit besteht, solange besteht auch keine Chance darauf, eine solche Ordnung zu etablieren. Im Rahmen politischer Arbeit hat sich jedenfalls gezeigt, dass es diesbezüglich dringend einer näheren Konkretisierung bedarf.

Eine im Sinne der Sozialen Dreigliederung menschenwürdige Gesellschaftsordnung bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die eine solche Ordnung auch gewährleisten kann, also die Autonomie von Geistesleben und Wirtschaftsleben schützt, ohne darin einzugreifen. Eine derartige Gesetzesgrundlage gilt es zunächst zu entwickeln und in weiterer Folge auf demokratischem Wege zu erwirken. Der Ausgangsimpuls dazu muss aus dem freien Geistesleben kommen.

Die Initiative versteht sich daher als ein länderübergreifender Zusammenschluss freier Menschen, also als Interessengemeinschaft im Geistesleben, welche Lösungen für das Rechtsleben erarbeitet und diese in den politischen Diskurs einbringt.

Ziele der Initiative
Das wesentliche Ziel dieser Initiative ist es, die konkreten Anforderungen an das Rechtsleben einer dreigegliederten Gesellschaft zu identifizieren und derart auszuformulieren, dass diese als politischer Forderungskatalog und in weiterer Folge als Vorlagen für Verfassungs- bzw. Gesetzesentwürfe im Rechtsleben zur Anwendung kommen können.

Die Aktivitäten dieser Initiative lassen sich in zwei Teilschritten darstellen:

  1. Die inhaltliche Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen einer dreigliedrigen Gesellschaftsordnung – was genau gilt es, im Rechtsleben konkret umzusetzen?
  2. Die Erarbeitung möglicher Umsetzungs- bzw. Implementierungsvarianten einer solchen Ordnung – wie soll bzw. kann dies auf demokratischem Wege bewerkstelligt werden?

Ad 1. Inhaltliche Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen (Rechtsleben)
Ein freies Geistesleben braucht gesetzlich garantierte Rahmenbedingungen, um sich auch wirklich frei entfalten zu können. Wie müssen die dafür notwendigen Rahmengesetze ausformuliert sein, um dies sicherzustellen?

Wie muss die Rahmengesetzgebung für ein Wirtschaftsleben aussehen, in dem bedarfsorientiertes, assoziatives Wirtschaften gefördert wird und eine Kultur des brüderlichen Füreinanders entstehen kann? Wie könnte ein konstruktiver Übergang in diese neue Form von Wirtschaft eingeleitet werden?

Was sind die konkreten Aufgaben des Staatswesens und wie sind Entscheidungsprozesse im Rechtsleben zu gestalten, um diesen Anforderungen gerecht zu werden? Wie kann eine konsensorientierte Demokratie nachhaltig funktionieren?

All diese und viele weitere Fragen gilt es, soweit als derzeit möglich, zu klären und in einem partizipativen Entwicklungsprozess entsprechende Lösungen dafür zu erarbeiten.

Erste Überlegungen in dieser Richtung wurden bereits angestellt. Als Beispiel hierfür sei der Entwurf eines Verfassungsartikels für „Freie Schulen“ genannt. 

Siehe dazu:
Entwurf eines Verfassungsartikels – Freie Schulen

In ähnlicher Art und Weise ist diese Arbeit fortzuführen, da es einer möglichst klaren Vorstellung dessen bedarf, was es auf demokratischem Wege zu erwirken gilt. Auch für einen vertiefenden politischen Diskurs ist es unerlässlich, vom Allgemeinen ins Konkrete zu kommen. Für viele weitere Themenbereiche gibt es bereits sehr gut ausgearbeitete Ansätze, die es zusammenzutragen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln gilt.

Letztendlich geht es darum ein konsolidiertes Gesamtwerk für das Rechtsleben zu erstellen, das dem Anspruch als menschenwürdige Gesellschaftsordnung bezeichnet zu werden, auch tatsächlich gerecht wird.

Dieser aus dem freien Geistesleben heraus erarbeitete Entwurf einer solchen Gesellschaftsordnung kann folglich die inhaltliche Grundlage für eine breite Koalition aller Dreigliederungsbefürworter sein und eine wahrhaftig vereinte Dreigliederungsbewegung ermöglichen.

Nur in Gemeinschaft kann es gelingen, dem Lauf der Dinge eine konstruktive Richtung zu geben. Die Zeit dafür ist jetzt!

Ad 2. Umsetzungsvarianten und Implementierungsstrategien
Das Rechtsleben im Sozialen Organismus scheint ein wenig das Stiefkind innerhalb der Dreigliederungsbewegung zu sein. Haftet der Politik, wie wir sie gegenwärtig erleben doch etwas „Schmuddeliges“ an. Da will man möglichst wenig bis gar nicht damit in Berührung kommen.

Doch wird dabei nur allzu leicht übersehen, dass die Idee der Dreigliederung nur auf demokratischem Wege, also im Rechtsleben, verwirklicht werden kann. Ist es doch jener Bereich, in dem sämtliche Gesetze für den Sozialen Organismus ausgestaltet und beschlossen werden.

Ein Umsetzungsversuch über den Weg einer politischen Partei als temporäres Vehikel wird in Dreigliederungskreisen immer wieder sehr kontrovers diskutiert. Doch all jene, die sich dagegen aussprechen, verbleiben zumeist in ihrem Nein gegenüber einer Parteienlösung, ohne gleichzeitig andere, alternative Vorgehensweisen vorzuschlagen.

So gibt es aber kein Vorankommen in dieser Angelegenheit. Es bedarf daher einer gründlichen und grundlegenden Auseinandersetzung mit der Frage nach dem WIE – wie kann die Soziale Dreigliederung Realität werden? Zweifellos bestehen mehrere Möglichkeiten, um dies auf demokratischem Wege zu bewerkstelligen. Doch welche genau das sein könnten und was es dafür braucht, um dies in die Wege zu leiten, ist bislang ungeklärt oder zumindest umstritten.

Unter Zugrundelegung unterschiedlicher gesellschaftlicher Entwicklungsszenarien ergeben sich zwangsläufig auch unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten. So sind zunächst alle denkbaren gesellschaftlichen Entwicklungsszenarien für die kommenden Jahre zu skizzieren und für jedes Szenario adäquate Strategien und Vorgehensweisen zu erarbeiten.

Hinsichtlich der gegenwärtigen Gesetzeslage liegen für die Schweiz andere Ausgangsbedingungen vor als für Deutschland oder Österreich. Auch darauf gilt es Bedacht zu nehmen und jeweils entsprechende Umsetzungsvarianten zu entwickeln. 

Jedenfalls bedarf es gut durchdachter Strategien, um auf alle möglichen Eventualitäten bestmöglich vorbereitet zu sein. Denn es sind gesellschaftliche Entwicklungen denkbar, innerhalb derer keine Zeit für langwierige Diskussionen verbleibt und schnellstmöglich agiert werden muss.

Die gesamte Dreigliederungsszene steht in der Verantwortung, diesen Klärungs- und Konkretisierungsprozess im Rechtsleben anzugehen und aktiv voranzutreiben. Denn solange es selbst innerhalb dieser keine gemeinsame Ausrichtung und keinen Konsens gibt, solange also nicht an einem Strang gezogen wird, solange ist auch nicht zu erwarten, dass sich weitere Teile der Bevölkerung für diese Idee begeistern lassen und substanzielle Erfolge zu erzielen sind.

Die hier beschriebenen Zielsetzungen wollen jetzt mit aller Entschlossenheit verfolgt werden. Nur darüber zu reden, reicht nicht mehr aus. Wenn wir zu einem politisch wirkmächtigen Handeln kommen wollen, dann braucht es jetzt! eine koordinierte Zusammenarbeit aller konstruktiven Kräfte, um dieses hohe und erstrebenswerte Ziel einer menschenwürdigen Gesellschaftsordnung zu verwirklichen.

Die Idee von der Dreigliederung ist eben eine solche, der man ganz dienen muss,
wenn man ihr überhaupt dienen will.

(GA 24 S.124 – Einsicht tut Not!)

Projektorganisation
Die technischen und organisatorischen Grundlagen, um dieses Vorhaben gemeinschaftlich umzusetzen, sind alle gegeben. Eine detaillierte Vorstellung der Projektstruktur, der Projektchronologie als auch der zur Anwendung kommenden Methoden und Instrumente wird zeitgerecht im Vorfeld des Projektauftakts erfolgen.

Zunächst gilt es jedoch, diese Initiative innerhalb der deutschsprachigen Dreigliederungsbewegung zu bewerben und eine ausreichende Anzahl an Unterstützern für das Projektvorhaben zu gewinnen.

Des Weiteren bedarf es zumindest einer oder mehrerer Trägerorganisationen, die den dafür erforderlichen organisatorischen Rahmen gewährleisten können. Idealerweise finden sich dazu Organisationen aus dem Dreigliederungsumfeld, die das Projekt auch finanziell unterstützen und mittragen können.

Im Bedarfsfall könnte aber auch eine eigens dafür zu gründende Organisation entstehen. Aus dem Kreis der Unterstützer kann sich in weiterer Folge ein Koordinationsteam bilden, das gemeinschaftlich die Projektverantwortung übernimmt und alles sonst noch Erforderliche in die Wege leitet.

Wie weit dieses Vorhaben heute, d.h. auf dem derzeitigen Erkenntnisstand, bereits zu gelingen vermag, wird sich zeigen. Es will und soll jedenfalls jetzt damit begonnen werden, da diese Arbeit in jedem Fall, früher oder später, zu vollbringen ist.

Gegebenenfalls werden im Laufe der Projektumsetzung Wissenslücken sichtbar, die in weiterführenden, vertiefenden Forschungsprojekten aufgearbeitet werden können.

Das Projekt dient gleichsam auch als Übungsfeld für eine konsensorientierte Demokratie. Denn eine solche ist nicht durch gemeinsame Beschlussfassung einfach so gegeben. Die neuen Formen partizipativer Entscheidungsfindung müssen zuerst mal gelernt und dann verinnerlicht werden.

Herzliche Einladung zur Mitwirkung
Zur aktiven Mitwirkung an der Initiative sind alle Menschen eingeladen, sowohl Dreigliederungsprofis als auch Einsteiger. Die einzig wesentliche Voraussetzung zur Projektteilnahme ist ein aufrichtiges, lebendiges Interesse an der Sozialen Dreigliederung und deren gesellschaftlicher Verwirklichung. Jedenfalls braucht es dreigliederungskundige Menschen, die, im wahrsten Sinne des Wortes, begeistert an die Sache herangehen.

Gemeinsam ins Tun kommen!
Mit der Sozialwissenschaft der Dreigliederung des Sozialen Organismus ist uns die Grundlage für eine menschengemäße Gesellschaftsordnung gegeben. Auf dieser Grundlage gilt es nun, mit vereinten Kräften aufzubauen.

Dabei liegt es einzig und allein in der Verantwortung all jener, die Kenntnis von dieser Sozialwissenschaft erlangt haben, diesen Prozess der gesellschaftlichen Neuausrichtung
anzustoßen und alles Mögliche zu unternehmen, um dieser Geltung zu verschaffen.

Es verbleibt bloß die Frage, ob wir Menschen erst durch die Not dazu gezwungen werden müssen oder, von der Vernunft geleitet, diesen Weg freiwillig beschreiten.

Denn wahrlich frei ist bloß der Mensch, der die Gründe seines Wollens
selbst zu bestimmen imstande ist.*

*Frei nach Rudolf Steiner, Philosophie der Freiheit

Gesellschaftsordnungen sind nichts Naturgegebenes, sondern durch Menschen gestaltete und von ihnen zu verantwortende Verhältnisse. Sie sind Ergebnisse politischer Prozesse und insofern auch änderbar. „Menschenwürdig“ ist eine solche aber nur dann, wenn sie der (über-)natürlichen Beschaffenheit des menschlichen Geistes entsprechend Rechnung trägt.

Angesichts der allgemeinen Politikverdrossenheit erscheint es auch immer wieder erforderlich zu sein, jedem einzelnen Menschen folgendes ins Bewusstsein zu rufen:

Die menschliche Individualität, auf die doch alles ankommt,
steht in diesem dreigegliederten sozialen Organismus so drinnen,
dass sie die drei Glieder miteinander verbindet.*

Rudolf Steiner GA 83, Westliche und östliche Weltgegensätzlichkeit S. 307

Dieser Tatsache mögen sich insbesondere dreigliederungskundige Menschen bewusst sein und ihrer Verantwortung, als am Rechtsleben Teilhabende, bestmöglich gerecht werden.

Individuelle Rechte und gesellschaftliche Pflichten sind untrennbar miteinander verbunden. Folglich ist die aktive Mitwirkung an der Gestaltung des Rechtslebens und somit an einer
menschenwürdigen Gesellschaftsordnung eines jeden Menschen gesellschaftliche Pflicht!

Wollen wir als Gesellschaft nicht bloß überleben, sondern voll Freude in Frieden und Freiheit leben, dann ist es an der Zeit, diese Chance zu nutzen und sich gemeinsam auf den Weg zu machen.

Die Zukunft, die wir wollen, muss erfunden und aktiv gestaltet werden,
ansonsten wir eine bekommen, die wir nicht wollen.*

*Frei nach Joseph Beuys